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Scharfrichter Dynastien / Carnifex
Geschlecht | Stammväter | Tätigkeitsorte | Herkunft |
Berchtold | Hans Berchtold | Aarau, Bern | Aarau, AG |
Bürgi | Solothurn | ||
Faiss | |||
Ginter | Hans Jakob Ginter | Basel | Neuenburg, DEU |
Grossholz | Ulrich Grossholz | Schaffhausen, Zürich, Luzern | Adliswil, ZH |
Hotz | Bernhard Hotz | Herzogenbuchsee, Aarau, Büren, Bern,Solothurn | Herzogenbuchsee, BE |
Huber | Daniel Huber | Aarau | Hottingen, ZH |
Mengis | Christoph Mengis | Schwyz, Tenniken, Rheinfelden, Basel, Luzern, Sursee | Schwyz, SZ |
Müller | Jakob Müller | Aarau | Eriz, BE |
Näher (Steinfels) | Näher | St.Gallen, Basel | Diessenhofen, TG |
Reichlin (Richli) | Matthias Reichlin | Zug | Zizers, GR |
Steinmeyer | Neuenburg | ||
Stuntz | Hans Stuntz | St.Gallen | Hohentannen, TG |
Volmar Vollmar |
Jakob Volmar | Zürich, Aarau, Winterthur, Basel, Schaffhausen, Stans, Solothurn | Zürich |
Die angehenden Scharfrichter stammten fast immer aus eigentlichen Scharfrichtersippen. Solche Dynastien hatten sich gebildet, weil die Henker als die «unehrlichsten» Berufsleute galten und keine nähere Verbindung zu den sogenannten ehrlichen Menschen unterhalten durften. Die Söhne von Scharfrichtern konnten sich nicht ehrbaren Töchtern und deren Familien nähern, um sie um die Ehe anzusprechen, sondern waren gezwungen, Töchter von Scharfrichtern, Henkersknechten, Wasenmeistern und in seltenen Fällen andern gemiedenen Menschen zu heiraten.
Aus dem gleichen Grund stammten auch Taufzeugen oft aus den verfemten Scharfrichterfamilien. Die Scharfrichter aus unserem Gebiet kannten weitherum ihre Berufskollegen. Es bestand ein mehr oder weniger grosses und nach aussen kaum in Erscheinung tretendes Netzwerk der «unehrlichen» Henker und Wasenmeister. Sie nannten sich untereinander Vetter und hielten die Verbindung oft lebenslang aufrecht, von Zürich über Baden und Bremgarten bis Bern, von Basel ins Elsass bis Strassburg und hinüber in die süddeutschen Städte. Sie blieben notgedrungen stets unter ihresgleichen.
Da sie oft aus einem Milieu stammten, in dem das berufsmässige Zufügen von Schmerzen in der Folter, dem groben Zupacken beim Binden und Fesseln, dem Ausführen brutaler Strafen und der Beseitigung aller Selbstmörder fast alltäglich war, schienen ihr Geist und Gewissen doch abgestumpft oder wenig entwickelt gewesen zu sein. Anders ist es unerklärlich, wie sich ein normal entwickelter, geistig gesunder Mensch um den sogenannten Richtdienst bewerben konnte
Sie quälten Gefangene am Seil oder an den Daumenschrauben, wenn diese ihn «beschrien», verwünschten, verfluchten oder ihm Rache androhten. Dann Schlug er an den Daumenstock, so dass die gepeinigten Finger sehr stark schmerzten, oder er liess die am Seil Hängenden mit ihren zerdehnten Gelenken absichtlich ruckweise herunterkommen, was verstärkte Schmerzen und stark geschwollene Gelenke verursachte. Eine solche Schikane eines Scharfrichters konnte dazu führen, dass die Arme aus den Gelenken gerissen wurden.
Ein Wasenmeister besorgte das Enthäuten («Ausziehen») der durch Krankheit abgegangenen Tiere sowie das Wegschaffen («Ausschleipfen») und Verlochen der Kadaver auf der Schindmatte. Er wurde deswegen auch etwa Feldoder Wasenmetzger, Keibenschinder oder einfach Schinder genannt. Zeitweilig war er Gehilfe des Scharfrichters oder beides in einer Person. Obschon ihre Dienste der Obrigkeit unentbehrlich waren und der Scharfrichter im Amtsmantel sicher als gefürchtete Respektsperson wirkte, galten beide Berufe doch als «unehrlich», d.h. nicht ehrenhaft und verpflichteten zu einer verabscheuten («verschmachten») Arbeit. Durch ärztliche Bemühungen um Mensch und Tier konnten ihre Inhaber allerdings vielfach ihre Einkünfte und ihr Ansehen wesentlich verbessern und fanden selbst für eine grosse Familie ein genügendes Auskommen, ja brachten es sogar zu einigem Wohlstand. Ihre unangenehme Sonderstellung wurde durch mancherlei Bräuche betont. So war ihnen in der Kirche, nicht zur Ehre, ein besonderer Platz reserviert. Bei der Kommunion war ihnen ihre Reihenfolge nach den Knechten zugewiesen. Im Gasthaus wurde dem Scharfrichter das Besteck abwärts gerichtet neben den Teller gelegt und der Wein mit auswärts gedrehter Handbewegung («überwindlig») eingeschenkt. Daher die Redensart «einem wie dem Henker einschenken».
Weiterführende Dokumentation:
Die Scharfrichter der Vier Unteraargauischen Städte von 1574 bis 1798
Von Wasenmeistern, Scharfrichtern und Ärzten -> S.45