Stammlinie Sinner
Quellen zur Person 1) 2) 3) Sinner. Ratsgeschlecht des Freistaates Bern. Burgerrecht um 1450 (?). Grosser Rat (1455?) 1536. Kleiner Rat 1679. Geschichtliches. Über die Herkunft dieses bernischen Schultheissengeschlechtes herrscht ziemliches Dunkel. Ältere Genealogen bezeichnen als seine ursprüngliche Heimat bald das Wallis, bald aber Basel; weder für die eine noch für die andere Ansicht lassen sich jedoch urkundliche Belege erbringen. Für seine Herkunft aus dem Wallis dürfte wohl nur die Namensähnlichkeit mit der dortigen Familie Schinner sprechen, irgendwelche andere Anhaltspunkte sind dafür kaum zu finden. Ein Hans Schinner erscheint allerdings laut Udelbuch 1466 als Hausbesitzer zu Bern; doch figuriert schon im Tellbuch von 1448 ein «Hans Sinner der Jung mit Anni sin Ewirtin», der in demjenigen von 1458 als «Hans Sinner der Seckler und Anna sin Husfrau» 200 Gulden verteilt. Dieser letztere war 1455 - 1458 Mitglied des Grossen Rates. Auch ist schon im Jahrzeitenbuch von St.Vinzenzen zu Bern im XIV. Jahrhundert ein Rudolfus Synner verzeichnet, dessen Jahrzeit auf den 11. Februar fiel. Ein Peter Sinner «bursifex» war laut den Not. Protokollen Peter Falk's 1456 - 1458 zu Freiburg angesessen. Ein späterer Hans Sinner, vermutlich ein Sohn des vorigen, sass 1485, 1486 und 1490 bis 1492 zu Bern im Grossen Rat. Für die Ansicht, dass die Familie aus Basel stammt, spricht hinwiederum auch nur der Umstand, dass zuverlässigerweise ein Niklaus Sinner 1438 als Domherr zu Basel verstarb, und dass 1466 Schultheiss und Rat zu Basel wegen eines Streithandels zwischen Conrad v. Löwenberg, Heinrich Sinner und anderen ein Schreiben an die bernische Obrigkeit richteten; am Freitag nach Epiphanien 1485 erscheint Hans Zeender «als ein Vogt Heinrich Sinners säligen verlassnen Witwe» in einem Prozess gegen Stoffel Sonntag vor dem bernischen Rat. Ein verwandtschaftlicher Zusammenhang der angeführten Schinner, Synner uud Sinner lässt sich mit der heute blühenden Familie dieses Namens nicht nachweisen; auch kommen noch in der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts in den bernischen Taufbüchern vereinzelte Schinner und Sinner vor, deren Beziehungen zu derselben nicht klar sind. Überdies ist es infolge der damaligen Schreibweise oft äusserst schwierig, im XV. Jahrhundert die Namen «Summer» und «Sinner» auseinander zu halten. Der erwiesene Stammvater des hier zu behandelnden Geschlechtes ist Heinrich Sinner, nach Einigen ein Sohn des letztgenannten Hans S. Ursprünglich ein Barfüssermönch, seit 1522 Guardian seines Ordens zu Bern und 1523 Guardian des Gotteshauses Königsfelden, trat er, als die dortigen Klosterfrauen bei der Reformation den Orden verliessen und zum grössten Teil zur Ehe schritten, ebenfalls aus dem geistlichen Stand und vermählte sich 1523 oder 1525 mit Agnes v. Mülinen, der vormaligen Priorin des Klosters. Er scheint schon damals Burger zu Bern gewesen zu sein; 1534 wurde er als Stubengenosse zum Roten Löwen (Mittellöwen) angenommen und 1536 gelangte er in den Grossen Rat. Nach dem Tode seiner Gemahlin, welche schon am 20. Mai 1529 testierte, ihr Testament aber allem nach noch geraume Zeit überlebte, verheiratete er sich kurz vor seinem Tode am 9. Dezember 1542 zum zweiten Male mit einer Dorothea Häri, die nachmals in zweiter Ehe 1543 Jakob Wyss, den Krämer, ehelichte. Von seinen beiden Frauen scheint Heinrich Sinner keine Kinder gehabt zu haben, wohl aber hinterliess er einen natürlichen Sohn namens Philipp, den er in seinem Testament vom 21. August 1542 zum Haupterben einsetzte und seiner Gesellschaft zum Roten Löwen, welcher er ein Legat stiftete, bis zur Erlangung seiner Volljährigkeit als Vögtling zu besonderer Obhut anempfahl. Kurz darauf, am 30. September 1542, noch zu Lebzeiten seines Vaters, der vermutlich im Januar des folgenden Jahres verstarb, wurde Philipp S. von Schultheiss und Rat förmlich gefreit. Am 19. Februar 1547 verheiratete er sich mit Agata Grebolt oder Giebel, einer Tochter des vormaligen Chorherrn zu Zürich und seit 1527 zu Bern verburgerten Heinrich Gr. und der Agata Selsach. Seines Berufes ein Waatmann (Tuchhändler), starb er um 1586, nachdem er von seiner Frau drei Kinder, eine Tochter und zwei Söhne, gehabt hatte. Die erstere, Agata, vermählte sich 1505 mit Simon Hetzel von Lindnach, dem Allerletzten aus diesem alten und verdienten Bernergeschlecht; der jüngste Sohn Niklaus, geb. 1551, beteiligte sich am väterlichen Tuchhandel, gelangte 1580 in den Grossen Rat der CC und starb 1584 vor seinem Vater, ohne von seiner Gemahlin Salome Hägenberg, des Venners Johann Rudolf H. Tochter, Kinder zu hinterlassen. Der ältere Sohn Heinrich dagegen, geb. 1549, ergriff das Notariat, wurde 1572 Kanzleisubstitut und Ratsexspektant, 1574 Mitglied der CC. Landschreiber nach Interlaken 1575, Gerichtsschreiber und endlich 1580 Landvogt nach Chillon, wo er schon 1584 ebenfalls vor seinem Vater jung verstarb. Von seiner Gemahlin Veronika Tillier, vermählt 1571, hinterliess er mehrere Kinder, worunter zwei Söhne, Heinrich und Niklaus, welche die Stifter der beiden Hauptlinien des im XVIII. Jahrhunderts ziemlich verzweigten Geschlechtes wurden. Heinrich, geb. 1578, gest. 1634, betrieb in seiner Jugend das Glaserhandwerk, scheint sich aber später vollständig der Magistratur gewidmet zu haben. Nachdem er schon 1599 in den Grossen Rat gelangt war, wurde er 1610 Kastlan nach Wimmis, 1620 Kornherr und 1626 Landvogt nach Frienisberg. Von seiner ersten Frau, Margareta Huber, hinterliess er einen Sohn Abraham, geb. 1608, des Grossen Rates 1688, Grossweibel 1643 und Landvogt nach Romainmotier 1646, vermählt 1629 mit Salome Zeender. Bei seinem 1650 erfolgten Tode hinterliess dieser letztere zwei Söhne, von denen der ältere, Heinrich 1630-1690, Schaffner im St. Johannserhaus 1684, Stifter einer altern, im Mannesstamme 1759 erloschenen Linie ist. Der jüngere, Johann Rudolf 1682 - 1708, ist dagegen der Stifter der jetzt noch blühenden Linie der altern Hauptlinie und der Begründer des Glanzes seines Hauses und der führenden Stellung, welche seine Nachkommenschaft das ganze XVIII. Jahrhundert hindurch im Bernischen Staatswesen einnahm. Von Hause aus durchaus unbemittelt, gelang es ihm durch seine staatsmännische Begabung und sonstigen allgemeinen Fähigkeiten die höchsten Ehrenstellen in seiner Vaterstadt zu erlangen und mit Auszeichnung zu bekleiden. In seiner Jugend soll er sogar anfänglich das Kannengiesserhandwerk erlernt haben; jedenfalls widmete er sich aber schon früh dem Notariat. 1656 zum Spitalschreiber ernannt, kam er 1657 in den Grossen Rat, wurde 1662 Teutschseckelschreiber, Landvogt nach Wangen 1668, als erster seines Namens Mitglied des Kleinen Rates 1679, Salzdirektor vom Rat 1683, Welschseckelmeister 1685 und endlich 1696 Schultheiss der Stadt und Republik bis zu seinem Tode. Von Bern wurde er schon im letzten Viertel des XVII. Jahrhunderts mit verschiedenen Gesandtschaften und Missionen betraut; im Neuenburgerhandel war er eines der Häupter der preussischen Partei und wurde in der Folge am 12. März 1706 mit seiner ganzen Deszendenz unter Vermehrung seines Wappens in den Reichsfreiherrenstand erhoben. Von seiner Gemahlin Katharina Hackbrett hinterliess Schultheiss Sinner zahlreiche Nachkommenschaft, die sich in mehrere Äste teilte; heutzutage blüht indessen nur noch die Deszendenz seines siebenten Sohnes Abraham 1672 - 1751, Freiherr zu Grandcourt, Landvogt zu Lenzburg etc. im Mannesstamme fort. Beinahe alle Mitglieder dieser älteren, auf Mittellöwen - später zum Teil auch auf Affen - zünftigen Hauptlinie widmeten sich mit Ende des XVII. Jahrhunderts der Magistratur, nachdem sie das Gewerbe vollständig fallen gelassen hatten, und bekleideten während des ganzen XVIII. Jahrhunderts fortwährend hohe Staatsstellen; bis 1798 sassen sie ununterbrochen in beiden Räten der Republik. Viele traten in ihrer Jugend auch in fremde Dienste, so besonders in französische, kaiserliche, holländische, piemontesische und später preussische. Besonderer Erwähnung verdienen namentlich Vinzenz 1669 - 1748, zuerst Leutnant in Frankreich, dann Oberst in kaiserlichen Diensten, welche er um 1711 quittierte, als er ungeachtet seiner Verdienste nicht zum Generalmajor befördert wurde, Landvogt nach Milden 1712 und nach Tscherlitz 1730; Johann Jakob 1666 - 1758, des Grossen Rates 1701, Landvogt nach Lausanne 1707, Salzdirektor nach Roche 1725 und Salzdirektor von Burgern 1734, Ritter des Venezianischen St.Marcusordens 1705; Philipp Heinrich 1694 - 1760, des Grossen Rates 1727, des Kleinen Rates 1742, Böspfenniger vom Rat 1746, Venner 1749, Welschseckelmeister 1752, nachdem er 1749 die Schultheissenwürde ausgeschlagen hatte; Friedrich 1713 - 1791, des Grossen Rates 1745, Landvogt nach Interlaken 1750, des Kleinen Rates 1761, Venner 1766, Teutschseckelmeister 1767 und endlich Schultheiss der Stadt und Republik Bern 1771 bis zu seinem Tode, seit 1788 Ritter des preussischen Schwarzen Adlerordens, ein durch Leutseligkeit, Geist und Bildung gleich ausgezeichneter Staatsmann, der viel zur Beilegung der Genfer und Neuenburger Unruhen beitrug und ein Freund literarischer Bestrebungen, in dessen Hause Wieland eine Zeitlang als Erzieher wirkte; endlich Johann Rudolf 1730 - 1787, «Sinner von Ballaigues», ein Mann von grossen literarischen Kenntnissen, schon 1748 zum Oberbibliothekar ernannt, in welcher Eigenschaft er den lateinischen Katalog der Manuskripte der bernischen Stadtbibliothek (drei Bände) herausgab, des Grossen Rates 1764, Landvogt nach Erlach 1776, auch schriftstellerisch tätig («Voyage historique et litteraire dans la Suisse occidentale»). Von Besitzungen dieser Linie mögen genannt werden die Freiherrschaft Grandcourt bei Peterlingen 1736 - 1755, ein Teil der Herrschaft Gerzensee 1738-17.., Worb 1792 - 1841, Ballaigues bei Orbe 1760 - 1787, das Rebgut Clindy bei Yverdon um 1780; später Märchligen 1805 - 1881, das Schloss Landshut 1852 - 1897. Heutiger Grundbesitz: Mehrere Landgüter in der Umgebung von Bern und das Rebgut Maison blanche bei Yvorne seit 1852. Dieser älteren sogeannten «consularischen» Hauptlinie der Familie (der Deszendenz des Schultheissen Johann Rudolf) wurde seit ca. 1700 im amtlichen Titularstil das Prädikat «vest» zuerteilt. Niklaus, der jüngere Sohn des Landvogts zu Chillon Heinrich, geb. 1577, gest. 1629, ein Notar, des Grossen Rates 1608, Chorschreiber 1618 und Landvogt nach Signau 1619, hinterliess von seiner Frau Barbara Wytnauer aus Basel ebenfalls Kinder, von denen sein vierter Sohn Heinrich 1621 - 1672, des Grossen Rates 1057, und Inselmeister 1666, seines Berufes ein Metzger, die Gesellschaft zu Mittellöwen aufgab und infolge seines Gewerbes diejenige zu Metzgern annahm, wo er 1664 XVIer wurde. Er ist der nähere Stifter desjenigen Astes dieser Linie, der alle andern überdauert hat und erst 1872 im Mannesstamme ausgestorben ist. Auch diese jüngere, von Niklaus und Barbara Wytnauer abstammende Linie, welche stets weniger zahlreich als die ältere blieb, sass fortwährend im Grossen Rat, nahm aber doch nicht die gleiche Stellung wie die altere ein, mit welcher sie auch mehr und mehr den näheren Zusammenhang verlor. Die meisten ihrer Mitglieder bekleideten ebenfalls Landvogteien und andere Staatsstellen, betrieben aber das ganze XVII. Jahr- hundert hindurch noch regelmässig irgendein Gewerbe; einige ergriffen auch den geistlichen Stand. Heute leben Vertreter der Familie in Bern, Basel, in der Westschweiz und Deutschland. Das Wappen der Familie ist nach den ältesten vorhandenen Siegeln (aus dem XVI. Jahrhundert) in rot ein weisser oder lederfarbener Handschuh - ein Umstand, der vielleicht für eine Abstammung vom eingangs angeführten «Seckler» (Säckel- und Handschuhmacher) Hans Sinner 1448 und 1458 sprechen dürfte. Vom XVII. Jahrhundert an wurde der Handschuh in eine aufrechte, mit der Handfläche nach vorn gekehrte rechte Hand umgewandelt und bald darauf auch der Schild von Silber gerandet. Als Helmzier erscheint meist ein sechsstrahliger silberner Stern. Im schon erwähnten Freiherrendiplom, welches der Schultheiss Johann Rudolf am 12. März 1706 vom Kaiser Joseph I. für sich und seine Nachkommen erhielt, wurde ihm neben der Befugnis, sich des Prädikates «Wohlgeboren» zu bedienen, auch sein angestammtes Wappen vermehrt: nämlich der Schild gevierteilt, in 1 und 4 in rot die silberne Hand, in 2 und 3 in silber ein rotes durchgehendes Kreuz; über dem Schild zwei gekrönte Helme, als Helmzier auf dem ersten zwischen einer roten und einer silbernen Straussenfeder ein goldener sechsstrahliger Stern, auf dem zweiten zwischen zwei wechselweise von rot und Silber geteilten Flügeln die weisse Hand. Helm decken des ersten (rechten) Helmes rot-golden, diejenigen des linken rot-silbern. Dieses vermehrte Wappen wurde jedoch von der Familie in Bern nur ausnahmsweise geführt; wohl aber regelmässig im Ausland, wie auch der Freiherrentitel. Das Wappen, dessen sich die ganze Familie in Bern seit Anfangs des XVIII. Jahrhunderts fast durchwegs bediente, ist die weisse Hand im roten, silbergerandeten Schild, bald mit dem Stern zwischen den beiden Straussenfedern, bald mit der Hand zwischen den beiden Flügeln als Helmzier; nur selten mit beiden Helmen. Das Adelsprädikat «von» haben beide Hauptlinien gleich nach dem Grossratsbeschluss von 1783 zu führen begonnen. Literatur: Sammlung bernischer Biographien, herausgegeben vom histor. Verein des Kantons Bern; Berner Taschenbuch von 1853, etc. (Info: SGB) weiterführende Info: HLS Wiki
Verheiratet / Verbunden mit:
N.N.
Kind:
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Quellen
1) Quelle: Bern: Genealogien burgerlicher Geschlechter der Stadt Bern, Seite: 4 S.3212) Quelle: Schweiz: Historisches Lexikon der Schweiz
3) Quelle: Schweizerisches Geschlechterbuch, Seite: 3 S.406
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